Auf dem Weg von Deutschland nach Kanada habe ich einen kleinen Zwischenstopp in Island eingelegt. Auch wenn ich nur ein paar Tage dort war, wollte ich doch einen kleinen Eindruck des Landes mit den sympathischsten Fußballfans und einer beeindruckenden Natur bekommen. Die weltweite Faszination für die Insel ist in den letzten Jahren stark angestiegen und schlägt sich in den Touristenzahlen nieder. Im Jahr 2017 kamen über zwei Millionen Tourist*innen in das kleine Land, dessen Bevölkerung nur 300.000 Menschen zählt. Der Tourismus wurde damit zum wichtigen Sektor für das isländische BIP. Für ein paar Tage wollte ich eine der vielen Tourist*innen sein. Bei der Vorbereitung auf meinen Aufenthalt bin ich auf die Elfenschule gestoßen. Wenn man eine*n Deutsche*n fragt, was ihr / ihm zu Island einfällt, bekommt man sicherlich “Vulkane und Elfen” als Antwort. Dies entsprach auch meinem Bild von der Insel und so war ich begeistert, mehr über Elfen zu erfahren. Zunächst war ich mir nicht sicher, ob die Elfenschule der richtige Ort dafür ist, da es sich auch um ein bloßes Angebot für Tourist*innen handeln könnte, das mit der Kultur der Menschen vor Ort nichts zu tun hat. Aber als ich die Website der Elfenschule aufrief und ich dort viele Informationen fand, wollte ich der Sache eine Chance geben. Und es hat sich wirklich gelohnt! Was ich dort gelernt habe, möchte ich hier teilen.

Eindrücke aus der Elfenschule – der einzigen ihrer Art

Gründer und Leiter der Elfenschule ist Magnús Skarphedinsson. Er hat an der Universität Island (University of Iceland) Geschichte, Folklore und Anthropologie studiert und ist seit über 30 Jahren das Herz und die Seele der Elfenschule. Seit vielen Jahren führt er Interviews mit Augenzeuginnen und Augenzeugen, die persönliche Begegnungen mit Elfen und hidden people (verborgenen Menschen) hatten. An der Elfenschule kann man

alles lernen, was man über Elfen und hidden people, Gnome, Zwerge, Feen, Trolle, Berggeister, Naturgeister und mystische Wesen in Island und anderen Teilen der Welt weiß. Man erfährt, wo diese Wesen leben, wie sie aussehen und wie ihre Beziehung zu Menschen ist. Durch viele persönliche Geschichten von Isländern werden diese Begegnungen beschrieben.

(sinngemäß übersetztes Zitat von der Website)

Es war ein normaler Freitagnachmittag Anfang Mai 2018 als wir die Elfenschule besuchten, die sich in einer Wohnung voll mit Büchern und Statuen der verschiedensten mystischen Wesen befindet. Allein dies machte diesen Ort schon interessant und verlieh ihm eine mystische Atmosphäre. Die Klasse bestand aus einer kleinen Gruppe von acht Leuten aus drei verschiedenen Ländern (Deutschland, Kanada, Italien). Zunächst bekam jede*r von uns ein Arbeitsbuch mit Geschichten und zusätzlichen Informationen. Dann stellte Magnús sich vor und begann gleich mit dem Erzählen. Er nahm uns mit auf eine Reise durch faszinierende Geschichten und Sagen über Freundschaften zwischen Elfen und Menschen. Während ich den Geschichten lauschte, tranken wir Tee und aßen süße Pfannkuchen mit Sahne (ein Spezialrezept von den hidden people). Draußen änderte sich das Wetter ständig: In einem Moment schien die Sonne, im nächsten fing es heftig an zu schneien – typisch für Island. Dies half mir dabei, tief in die Geschichten einzutauchen und mir das Erzählte bildlich vorzustellen.

Immer wieder forderte Magnús uns auf, Fragen zu stellen, und so löcherten wir ihn bei jeder Gelegenheit. Wir hatten so viele Fragen, dass wir deutlich länger blieben als geplant. Das schien Magnús jedoch sehr zu gefallen und ich bin mir sicher, dass er noch stundenlang hätte weitererzählen können. Am Ende bekamen wir alle ein Diplom überreicht, das uns den erfolgreichen Abschluss der Elfenschule bestätigte und wir verließen die Schule mit vielen neuen Eindrücken und Geschichten.

Website: www.theelfschool.com

Die verschiedenen Naturgeister

Das erste, was man an der Elfenschule lernt, ist die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Wesen. Es gibt nicht nur Elfen und hidden people (Huldufólk) sondern auch Gnome, Licht-Feen, Trolle und Zwerge, um nur einige Gruppen zu nennen. Alle haben einen eigenen Lebensstil und sind eingebettet in ein komplexes Glaubenssystem. Die meisten Geschichten, die Magnús uns erzählt hat, sind über Elfen und hidden people. Woher diese hidden people kommen und warum sie versteckt sind, erzählt diese Geschichte:

Ursprung der hidden people

Eines Tages besuchte Gott Adam und Eva. Sie begrüßten ihn und zeigten Gott ihr Heim. Sie stellten ihm auch ihre Kinder vor und Gott hielt große Stücke auf sie. Er fragte Eva, ob sie nicht noch weitere Kinder habe, und sie antwortete, sie habe keine weiteren.

In Wirklichkeit hatte Eva noch weitere Kinder, aber sie hatte diese noch nicht waschen können und sie schämte sich, Gott die dreckigen Kinder zu zeigen. Deshalb versteckte sie sie.

Natürlich wusste Gott davon und sagte zu ihr: “Das, was vor mir versteckt wurde, soll auch vor den Menschen versteckt werden.”

So wurden diese Kinder für die Menschen unsichtbar und sie lebten von da an in Felsen und Hügeln, Steinen und Bergen. Die hidden people stammen von diesen versteckten Kindern ab, während die Menschen von den sauberen Kindern, die Eva Gott gezeigt hatte, abstammen.

Menschen können hidden people nicht sehen, es sei denn, sie wünschen es, hidden people hingegen können Menschen immer sehen.

(Zitat www.theelfschool.com)

Glauben Isländer*innen heute noch an Elfen und hidden people?

Ungefähr 54 Prozent der Isländer*innen glauben, dass Elfen existieren. Diese Zahl variiert von Umfrage zu Umfrage. Wenn man Isländer*innen auf Elfen und hidden people anspricht, ist es sehr wahrscheinlich, dass man unterschiedliche Reaktionen bekommt. Nur einige wenige würden offen zugeben, an ihre Existenz zu glauben. Hakt man jedoch etwas nach, können die meisten von ihnen eine Geschichte über eine Begegnung mit Elfen und hidden people erzählen, in die oftmals ein*e Freund*in oder ein Familienmitlglied involviert ist. Magnús hat überall in Island diese Geschichten gesammelt, um sie für die Nachwelt zu bewahren, denn immer weniger Menschen glauben an diese mystischen Wesen.

Wie authentisch sind diese Geschichten?

Das kann und will ich nicht beurteilen. Was ich jedoch von Magnús Skarphedinsson erfahren habe ist, dass er eine Methode benutzt um herauszufinden, ob der Erzählende etwas erfindet oder wirklich von eigenen Erlebnissen berichtet. Während des Interviews macht er sich detaillierte Notizen und nimmt die Gesrpäche auf. Nachdem er das Interview geführt hat, meldet er sich ein paar Jahre später erneut bei der Person und bittet sie, die Erlebnisse erneut zu erzählen. Dabei fragt er immer wieder nach Details. Er vergleicht dann das Gesagte beider Interviews und da Menschen, die sich Dinge einfach nur ausdenken, oft Einzelheiten vergessen, kann er überprüfen wie wahrscheinlich es ist, dass die jeweilige Person die Wahrheit sagt. Nach einigen weiteren Jahren wiederholt er die Prozedur. Viele Isländer*innen sind mit Geschichten über persönliche Begegnungen von nahestehenden Personen mit mystischen Wesen aufgewachsen. Da sie diesen Menschen vertrauen, glauben sie diese Geschichten oft. Natürlich ist die Existenz dieser Wesen am Ende eine Glaubensfrage.

Kann jede*r Elfen sehen und treffen?

Magnús zufolge können nur Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten die Wesen sehen, da sie andere Dimensionen wahrnehmen können. Einige dieser Menschen können mit den Elfen sogar interagieren. Sie können Freunde werden, ihr Zuhause besuchen, sich gegenseitig helfen und über Jahre Kontakt halten. Allein die Elfen und hidden people können entscheiden, ob sie gesehen werden wollen oder nicht. In Island ist Magnús wohl einer der interessiertesten Menschen an den mystischen Wesen, aber er hat selbst nie eine persönliche Begegnung mit ihnen gehabt. Als ein Freund mit übernatürlichen Fähigkeiten einmal die Elfen fragte, warum sie nicht von Magnús gesehen werden wollen obwohl er sich so für sie interessiert und einsetzt, antworteten sie ihm: “Er stellt einfach zu viele Fragen und möchte alles wissen – wir würden ihn nie wieder los werden.”

Elfen beeinflussen politische Entscheidungen

Auch wenn nicht jede*r in Island an Elfen und hidden people glaubt, haben sie dennoch manchmal Einfluss auf politische Entscheidungen. Dies trifft ganz besonders bei Bauprojekten zu. Wenn man eine Straße, ein Haus oder einen Staudamm bauchen möchte, muss man immer in Betracht ziehen, dass man dadurch möglicherweise das Zuhause eines mystischen Wesens zerstört. Größere und kleinere Bauvorhaben mussten nach Protesten bereits neu geplant werden. Es gibt unzählige Geschichten von Unfällen und Unglücken, die sich ereigneten, weil Menschen die Warnungen ignorierten und so den Zorn der sonst friedlichen Kreaturen auf sich zogen.

Srpicht man mit isländischen Bauarbeitern, werden sie immer wieder Geschichten über Missgeschicke erzählen, die sich ereigneten nachdem man die Warnungen ignoriert hatte. Diese Geschichten sind so zahlreich, dass sogar Menschen, die eigentlich nicht an die mystischen Wesen glauben, lieber auf Nummer sicher gehen als Konflikte mit diesen heraufzubeschwören.

In den 1970er Jahren wollte man einen Stein von einer großen Straße entfernen, was jedoch schief ging, da der Bulldozer in eine Wasserleitung krachte, die eine Fischfarm versorgte. Daraufhin starben ca. 70.000 Forellen über Nacht und es gab so viele weitere komische Unfälle in den folgenden Tagen, dass das Projekt abgebrochen wurde. Ein Arbeiter gab an, seit dem Tag vom Unglück verfolgt zu sein.

“Es gibt viele Geschichten von Maschinen, die plötzlich kaputt gehen und von Arbeitern, die krank werden wenn sie an Felsen , die von Elfen bewohnt werden, arbeiten”, sagt Bryndís Björgvinsdóttir, Schriftstellerin und Volkskunderlin, die an der isländischen Kunstakademie in Reykjavik lehrt. “Die Elfen sind eigentlich freundliche, wunderschöne Wesen, aber man muss sie respektieren oder sie nehmen Rache.” (Übersetzung von theguardian.com)

Den ganzen Artikelauf Englisch kannst du hier lesen: ‘In Iceland, ‘respect the elves – or else’’ von Oliver Wainwright, www.theguardian.com

Ob es Elfen, hidden people und all die anderen mystischen Wesen nun gibt oder nicht werden wir wohl nie erfahren. Aber der Glaube an sie hilft den Menschen in Island sicherlich, die Natur zu respektieren und sich Eingriffe in diese genau zu überlegen. Und das ist sicherlich eine gute Sache.

Weitere Literatur

Du möchtest noch mehr über Island, Elfen und hidden people lesen? Hier findest du eine kleine Auswahl an weiteren Artikeln:

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