Eines meiner persönlichen Highlights hier in Vancouver war der Besuch der Decentralized Dance Party (DDP), auf Deutsch Dezentralisierte Tanzparty. Für mich war die DDP eine der besten Partys, auf der ich je gewesen bin, weil es einfach so viel Spaß gemacht hat dabei zu sein: Alberne Kostüme, super Musik und viele lustige Menschen. Jede*r war eingeladen, einfach dazuzukommen und mitzumachen während wir tanzend mit hunderten Ghettoblastern durch die Stadt zogen. Diese Art des Partymachens war ganz neu für mich und ich hatte wirklich eine Menge Spaß – deshalb möchte ich hier davon berichten und vielleicht wirst ja auch du vom “DDP-Fieber” angesteckt 😉

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Teaser für die DDP in Vancouver (Englisch)

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Fernsehbeitrag über die Idee der DDP (Deutsch)

Hinter dem Projekt DDP stecken Tom und Gary, zwei Kanadier, die die Nase voll hatten von konventionellen Partys, auf denen sich die meisten nicht wirklich wohlfühlen. Sie sind überzeugt:

Das Feiern wird von 99% der Menschen unterschätzt und missverstanden. Aus diesem Grund wird es fast nie gut gemacht und nicht mit dem angemessenen Respekt behandelt. Feiern bedeutet: vergessen, wer man ist, während man sich daran erinnert, was man ist. Es ist der völlige Verlust der sozialen Konditionierung, die das Erwachsenenleben monoton und bedrückend macht und das Loslassen hat die Kraft, eine transformative spirituelle Erfahrung zu sein.

Mit diesem Motto haben die beiden seit 2009 schon über 80 dezentrale Partys in Nordamerika und Europa geschmissen. Ihr Ziel ist es, in alle Länder der Welt zu gehen und die Menschen zusammen kommen und feiern zu lassen.

Normalerweise muss man auf einer Party viele gesellschaftliche Konventionen beachten, um “cool” zu sein und von den anderen akzeptiert zu werden. Das bedeutet eine Menge Arbeit und beginnt meistens mit der schwierigen Frage “was soll ich anziehen?” um sexy/cool/attraktiv/besonders (aber nicht zu besonders!) zu sein und geht weiter damit, darauf zu achten, sich möglichst cool zu geben/tanzen/sprechen. Wenn notwendig mit Hilfe von Alkohol oder härteren Drogen um sich “locker zu machen”. Dabei geht es immer darum, was andere Menschen über einen denken – aber das verdirbt den Spaß. Wenn man aus diesem Teufelskreis ausbricht, kann man sich selbst befreien:

Als Kinder waren wir kontinuierlich in Bewegung, wir sind auf alles Mögliche geklettert und gesprungen, haben alles erkundet. Wir möchten rennen, schreien, singen, tanzen, und so viel spielen bis unsere Körper vollkommen erschöpft sind. Wir geben furchtlos unseren natürlichen Instinkten nach. Die westliche Gesellschaft treibt uns dies aber mit viel Mühe aus, damit wir still sitzen, leise sind, die Regeln befolgen, uns alle gleich anziehen und benehmen, um später produktiv in der Arbeitswelt zu sein. Genau so erziehen dann auch wir unsere Kinder. Dies zerstört aber unseren natürlichen Trieb, Spaß zu haben und das Leben zu genießen, verhindert Kreativität und ist Grund für Depressionen und macht uns zu Menschen, die Angst davor haben, von der Norm abzuweichen. Diese Konditionierung abzulegen ist harte Arbeit. Das Feiern kann uns dabei helfen.

Die Revolution der Party

In ihrem Party Manifest erklären Tom und Gary die wichtigsten Bedingungen für eine Party, die Spaß macht. Das Wichtigste ist, für eine Atmosphäre zu sorgen, in der sich die Menschen frei fühlen können von allen Zwängen. Deshalb sollten die Leute am besten alberne Kleidung oder Kostüme anziehen, um ihre Hemmungen leichter ablegen zu können. Sie können jegliche Utensilien mitbringen, die ihnen und anderen Freude bereiten: Pogo-Sticks, Trampoline oder Bobbycars. Mit ihnen kann man das innere Kind leichter (wieder-)entdecken. Natürlich ist auch die Musik wichtig: sie sollte so laut wie möglich sein (eine Party ist kein Ort für Gespräche), allgemein bekannt sein und jedes Bein in Schwingung versetzen. Auf einer DDP werden hunderte Ghettoblaster von der Menge mitgetragen, die den Sound verstärken und die Lieder in die Nacht hinausblasen. Weil alle sich frei fühlen von Zwängen und Beurteilungen durch andere, wird der Konsum von Alkohol und anderen Drogen überflüssig. Nur eine schlechte Party braucht Alkohol:

Menschen betrinken sich auf Partys, weil die meisten Partys langweilig sind und Alkohol deshalb notwendig ist, um sich locker zu machen und Spaß zu haben. Grund dafür sind schlechte Musik, langweilige Kleidung, ein Mangel an Spielzeug und eine lahme Stimmung, also alles, was einen hemmt zu singen und zu tanzen und frei zu sein. Aber wenn die Party richtig gut ist, sorgt allein die Stimmung dafür, dass die Leute ihre Hemmungen verlieren, ausflippen und die Luft mit einer Energie erfüllen, die alle ansteckt und allen ein unvergessliches Erlebnis beschert.

Da es in den meisten Gebäuden zu viele Einschränkungen und Regeln gibt, finden die DDP an öffentlichen Orten draußen statt, an denen keine Anwohner gestört werden können. Die feiernde Menge bewegt sich von einem Ort zum nächsten, wobei keine Sachschäden oder Abfall hinterlassen werden und das Einschreiten von Sicherheitspersonal oder Polizei nicht nötig ist.

Das liegt daran, dass das Hauptziel der DDP das Feiern des Lebens, die Freude an der Musik und dem Kontakt mit fremden Menschen auf einer fundamentalen Ebene ist – und nicht, betrunken und idiotisch zu sein. Eine Art des Feierns, dass das Bewusstein erweitert und nicht zerstört. Darüber hinaus ist die DDP ein interessantes soziales Experiment, das zeigt, dass es unter den oben genannten Bedingungen möglich ist, dass tausende Menschen unterschiedlichen Alters, verschiedener Kulturen und sozialer Gruppen zusammen friedlich als Menschheitsfamilie feiern.

Ultimatives Ziel von Tom und Gary ist es, die Welt mit Hilfe der DDP zu einem friedlich(er)en Ort zu machen.

Warum die DDP für mich besonders war

Ich bin eigentlich nie gern auf Partys gegangen, weil ich immer das Gefühl hatte, sie seien vor allem ein großes Schaulaufen und ich müsse zu einer Person werden, die ich eigentlich nicht bin. Es machte mir keinen Spaß, von anderen beobachtet und bewertet zu und auf der Tanzfläche und an der Bar von betrunkenen Männern belästigt zu werden. Von der DDP habe ich zunächst nicht viel anderes erwartet. Doch sie war zum Glück ganz anders.

Wir haben uns lustige Kostüme besorgt, die auf dem Weg zur Party viele Blicke auf sich zogen und einige Passanten zu Kommentaren veranlassten, wobei sie durchweg positiv waren (ein Polizist hielt uns sogar an und fragte uns neugierig, zu welcher Party wir unterwegs waren). Als wir an der Kunstgalerie in Vancouver, dem Treffpunkt der Party, ankamen, waren nur vereinzelt Menschen in Kostümen da, aber ein junger Mann mit Mikro und Musik animierte die Menschen zum Tanzen und so mischten auch wir uns unter die Menge. Am Rand standen viele Leute mit Smartphones und filmten uns anstatt selbst das Tanzbein zu schwingen. Das fand ich nicht so toll. Aber je später und dunkler es wurde, desto größer wurde die tanzende Menge.

Schließlich stießen auch die Besucher der Dogecon 2018 in bizarren Kostümen, passend zum Thema “zum Mond”, und lauten Ghettoblastern zu uns. Sie brachten sogar einen riesigen Mond aus Styropor und eine Maske von Doge (Meme aus dem Internet) mit! Wir tanzten ungefähr eineinhalb Stunden vor der Kunstgalerie bis wir uns zu einer öffentlichen Rollschuhbahn begaben, wo wir auch eine Menge Spaß hatten. Danach ging es zu (oder wohl eher: in) einen Brunen zur Abkühlung und in ein Parkhaus. Es war echt unglaublich, dass das Sicherheitspersonal uns einfach passieren ließ – und sichtlich Freude an der Musik hatte. Wir tanzten durch die Straßen in der Innenstadt und es war toll zu sehen, wie sich die Masse (mit Hilfe der Banana Task Force) organisierte, um an roten Ampeln tanzend zu warten. Die Reaktionen der Autofahrer*innen und Fußgänger*innen waren positiv und einige haben sich uns feiernd angeschlossen. Wir sind dann zum Hafen gegangen, wo wir zu einigen etwas ruhigeren Liedern tanzten und gingen dann zum Feiern in die nahe gelegene SkyTrain-Haltestelle “Waterfront”. Dort mussten wir leider die Party verlassen, weil wir am nächsten Morgen arbeiten mussten und vorher noch ein paar Stündchen schlafen wollten. Aber ich bin mir sicher, dass die Leute noch jede Menge Spaß hatten und weiter durch die Stadt gezogen sind.

Für mich war unglaublich, dass uns keine Polizist*innen aufgehalten haben. In Deutschland glaube ich wäre das so sicherlich nicht möglich gewesen, da man dort ja jede Versammlung immer erst ankündigen und genehmigen lassen muss (und bestimmte Sicherheitsbedingungen erfüllen muss). Aber das ist nur eine Vermutung … ich habe es auch genossen, dass die Menschen einfach sehr freundlich waren. Es gab keine blöden Sprüche, kein Begrapschen, kein Gaffen. Niemand war betrunken, einige hatten vielleicht etwas Marihuana geraucht (was in Kanada bald vollkommen legal ist) aber niemand war aggressiv. Die Stimmung war einfach super und ich konnte einfach frei tanzen, mit Luftballons spielen, auf Dinge springen und von Dingen herunterspringen und die Zeit genießen. Die Musik war klasse und bei jedem Lied wollte mein Körper zu den durchdringenden Beats tanzen. Ich kann die nächste DDP kaum erwarten! 😀

Last but not least: A few impressions from the DDP 2018

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